Plötzlich sind die Schüler freundlich

Plötzlich sind die Schüler freundlich

Interview: Musiker Thomas „Stolle“ Stolkmann redet über Präventionsprojekt und seine Alkohol- und Drogenerfahrungen

Kassel. „Drogen können einen Menschen verändern und vernichten“, sagt Thomas „Stolle“ Stolkmann. Der 45-jährige Musiker aus Kassel weiß, wovon er spricht – mit 18 fing er an, Haschisch zu rauchen und Alkohol zu trinken. So extrem, dass er zweimal fast gestorben wäre. Über seine Erfahrungen mit den Drogen spricht der seit Jahren trockene Alkoholiker in Schulklassen. Er engagiert sich zudem in dem Verein „Zahnärzte und Patienten helfen Kindern in Not“.

Wie ist es dazu gekommen, dass Sie über Ihre Erfahrungen mit Drogen in Schulklassen berichten?

Thomas Stolkmann: Nachdem meine Biografie „Sternzeichen Waise“ erschienen war, rief mich ein Lehrer der Gesamtschule Beverungen an und fragte, ob ich einen Vortrag halten kann. Das kam bei den Schülern gut an. Seitdem haben sich viele Schulen bei mir gemeldet.

Was erzählen Sie den Schülern?

Stolkmann: Ich erzähle denen, wie mich der Alkohol verändert hat, ohne dass ich das wahrhaben wollte. Ich habe mein soziales Umfeld vernachlässigt und wurde aggressiv. Ich habe getrunken, bis ich 31 Jahre alt war, zwei Mal musste ich ins Leben zurückgeholt werden, bis ich kapiert hatte, dass die Drogen nichts bringen.

Was sagen die Schüler zu Ihren und über ihre eigenen Erfahrungen mit Drogen?

Stolkmann: Einige sagen, dass sie das Kiffen im Griff haben. Ich erwidere dann, dass ich früher auch immer gedacht habe, dass ich mit Alkohol umgehen kann. Ich schlage den Jugendlichen vor, dass sie mal testen sollen, wie ihr Körper reagiert, wenn sie drei bis vier Tage nicht trinken oder kiffen. Wenn sie dann Probleme mit dem Einschlafen haben und schwitzen, dann hat sich ihr Körper bereits daran gewöhnt.

Wie schaffen Sie es, dass sich die jungen Menschen Ihnen anvertrauen?

Stolkmann: Ich spreche die Sprache der Jugendlichen. Zudem wissen sie, dass sie mir vertrauen können. Bei unseren Gesprächen sind keine Lehrer dabei. Wenn sich der erste Schüler getraut hat, über seine Probleme zu sprechen, dann öffnen sich auch die anderen.

Wie reagieren die Lehrer darauf, dass sie bei dem zweistündigen Gespräch ausgeschlossen sind?

Stolkmann: Die Lehrer wollen natürlich wissen, wie das Gespräch abgelaufen ist. Ich sage dann nur, dass es gut war. Mich haben auch schon Lehrer angerufen und gefragt, was ich mit ihren Klassen gemacht habe. Die Schüler wären plötzlich so freundlich.

Und was haben Sie mit den Schülern gemacht?

Stolkmann: Ich mache ihnen klar, dass auch Lehrer Menschen sind, die man gut behandeln muss. Es ist ja kein Geheimnis, dass sich auch schon Lehrer in Kassel das Leben genommen haben, die ihren Beruf sehr geliebt haben, aber nicht mehr zurechtgekommen sind.

Sie besuchen auch vierte Klassen. Haben die Grundschüler auch schon Kontakt zu Drogen?

Stolkmann: Sie erzählen, dass ihnen auf Spielplätzen schon Drogen angeboten werden. Einige berichten auch vom Drogenkonsum der Eltern, dass der Vater zum Beispiel Heroin spritzt und es deshalb zuhause Streit gibt. Zum Teil ist es schon heftig, was die Kinder mitmachen.

Thomas Stolkmann bietet das Präventionsprojekt des Vereins „Zahnärzte und Patienten helfen Kindern in Not“ kostenlos an Schulen an. Er spricht mit den Schülern über Drogen- und Alkoholmissbrauch, Gewalt und Mobbing. Interessierte Schulen können sich an den Verein per E-Mail unter mail@zphkinder.de oder per Fax unter 05 61/937 11 12 melden.

Er spricht mit den Schülern darüber, wie ihn der Alkohol verändert und fast zerstört hat: Der Musiker Thomas „Stolle“ Stolkmann. Foto:  Schachtschneider

Von Ulrike Pflüger-Scherb

 

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